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Returning to now - Karunesh
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And Love Or

Goa, Indien 1999 

 

An diesem Morgen stand ich früh auf. Die in der Nacht bellenden Hunde liessen mich nicht schlafen, also beschloss ich, mich auf meine gemietete Vespa zu setzen und einfach mal los zu fahren. Einfach um zu fahren, mich fort zu bewegen, um irgendwo anzukommen wo ich noch nie war. Goa war der Auftakt meiner vier Monate dauernden Reise durch Indien, auf der ich hauptsächlich meine Recherchen für die im Jahr darauf folgende Diplomarbeit für die Kunst- und Medienschule machte. 

 

Ich fahre an grünen Reisfeldern und zahlreichen Palmwäldern vorbei. 

Der Hauptstrasse entlang, bei der es plötzlich an einer Kreuzung hiess, rechts abbiegen Richtung Vasco da Gama. Die Stadt, die nach dem portugiesischen Kolonialherren benannt wurde, der Ende des 15. Jahrhunderts den südlichen Seeweg nach Indien entdeckte und Herrschaft über das Gebiet Goa ausübte. 

 

Die Strasse war sehr stark von überfüllten Lastwagen befahren. Die Abgase und der aufgewirbelte Strassenstaub blieben auf meinem verschwitzten Gesicht kleben. Schnell nach einer Ausfahrt suchend, entdeckte ich plötzlich eine schmale Strasse, die sich links über die Felder erstreckte.

 

Beinahe verlassen, unbeachtet des grossen Stroms der sie kreuzte, führte mich die Strasse an Klippen und Herrschaftshäusern vorbei, die sich mit reichen Gärten und prächtigen Blumen bis zu den Klippen am Ozean erstreckten. 

 

Und plötzlich musste ich stark abbremsen. Da stand eine Mauer vor mir. Ende der Reise, dachte ich. Was ist denn hier los? Ich las am abgesperrten Eingang „Central Jail Agueda - Goa“. Ich war hier an ein Gefängnis geraten! Nach dem ich meine Vespa parkiert hatte, schaute ich mich einfach etwas um und entdeckte, rechts unten an der Mauer, alte Buchstaben. Sie waren aus Metal gefertigt und verrostet im Gras liegend. Ich nahm an, dass sei die alte Beschriftung der Gefängnisanstalt, die so alt war, dass sie förmlich vom Putz fiel und hier liegen blieb. 

 

Fasziniert und neugierig sammelte ich die Buchstaben zusammen und setzte mich auf die kleine Mauer die zur Klippe ins Meer ragte. Gespannt auf das Spiel das vor mir lag, dachte ich, welcher Dialog wird sich mir eröffnen. Spielend begann ich die Buchstaben zu ordnen. Plötzlich lag der Satz And  L  ve  Or“ vor mir. In die Leer-stelle imaginierte ich sofort den Buchstaben O, obwohl ich den Satz auch mit einem I  „And Live Or“ hätte ergänzen können. Intuitiv war es klar, dass das O fehlte.

Meditierend sass ich also über diesem Satz an der Klippe zum Meer bei der Gefängnismauer. Wie ein Orakel spricht dieser Satz jetzt zu mir und zeigt mir im geistigen Bilde, was einem Menschen alles zustossen kann, der ohne Liebe ist, ohne Liebe handelt und keine Liebe lebt. 

 

Ohne Liebe gibt es keine Freude, ohne liebe ist der Mensch einsam, verbittert, bösartig, verloren und durch Negativität getrieben. Ohne Liebe wird der Mensch zum Ungeliebten und schliesslich zum Verbrecher. Das eine, so kleine und allumfassende Wort, das all seine Wahrheit und Göttlichkeit in sich trägt, LIEBE. 

 

Am Ende meiner Reise, zuhause angekommen, packte ich meine mitgebrachten Schätze aus. Als ich die Buchstaben in der Hand hielt, richtete sich mein Blick auf die Plastik, das eingegipste weisse Buch, das ich während meinem Studium machte und bis dahin den Namen trug: „Das grosse Buch der Philosophie“. Es war leer. Für mich war der Fall klar. 

 

Ich nahm das Buch, schlug es liebevoll auf und setzte die Buchstaben drauf. An der Stelle wo das O fehlte, setzte ich eine rote Rose ein, das Symbol der Liebe, die diese poetische Geschichte abrundet.

 

Eine Geschichte die man nicht erfinden, sondern leben muss. 

Einwenig kalt und wieder warm,

Voller Leben

und doch steht sie vor der Tür ihres eigenen Todes.

Voller Glück

mit den Tränen in den Augen, die sie gestern noch ausgeweint hat.

 

Das Land, dass sich durch Stein und Wüste verbreitet,

bis zum Lande, ohne Schmerz und ohne Tränen,

in der Hoffnung nach Ewigkeit.

 

Das ist Indien! 

Malo hladna, pa opet vrela, 

Puna Života 

A stoji pred vratima svoje sobstvene Smrti.

Puna Sreče

Sa Suzama u očima, što još jučer ih izplakah.

Zemlja

što kroz Korov i Kamen se širi,

do Zemlje

bez bola i bez plača u nadi za Vječnosti,

To je Indija!

Croatische Übersetzung 

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